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Thaddäus Schäpe

Oberschlesier und deutsche Minderheit in Polen
Ausgewählte Daten und Schlussfolgerungen aus dem Bericht der Volksbefragung von 2002

Seit einigen Tagen ist der Regierungsbericht bezüglich der Auswertung der Volksbefragung von 2002 öffentlich zugänglich. Dieser Bericht enthält eine große Überraschung, nämlich die Tatsache, dass sich 173,2 Tsd. der Befragten zur oberschlesischen Nationalität bekannt haben. Im Rahmen der Be-fragung war es nicht möglich, regionale Zugehörigkeiten anzugeben. Es bestand lediglich die Mög-lichkeit, die Frage nach der Staatsangehörigkeit und der Nationalität zu beantworten. Erst eine Kam-pagne der Oberschlesischen Autonomiebewegung, die die Eintragung der Oberschlesischen Nationa-lität propagierte, eröffnete den Befragten die Möglichkeit, eine solche einzutragen, obwohl sie offiziell nicht anerkannt ist. Leider sind momentan Daten, die den Woiwoidschaften zugeordnet sind, nur teil-weise zugänglich, so dass die folgenden Aussagen ausschließlich auf Angaben basieren, die sich auf das ganze Land beziehen. Um Missverständnissen vorzubeugen, die vor allem auf deutscher Seite entstehen können, sei folgendes angemerkt: nach derzeitigem polnischen Verständnis und Interpreta-tion bedeutet Śląsk bzw. śląski nicht wie es in der korrekten Übersetzung heißen müsste, Schlesien bzw. schlesisch, sondern Oberschlesien, bzw. oberschlesisch. Der polnische Begriff Śląsk bezieht sich folglich geografisch im wesentlichen auf die heutigen Woiwoidschaften Oppeln und Schlesien (ehemals Kattowitz).

Für Kenner der Materie ist dieses Ergebnis allerdings keinesfalls überraschend, da schon immer be-kannt gewesen ist, dass ein Großteil der autochthonen Bevölkerung Oberschlesiens sich auch als Oberschlesier identifiziert. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl 173,2 Tsd. nur die Spitze des Eisberges bildet. Zumal dieses Bekenntnis über Jahrzehnte als staatszersetzend diffa-miert worden ist.

Nur auf den ersten Blick ist das Abschneiden der deutschen Minderheit in Polen schlecht, da "nur" 152,9 Tsd. der Befragten "Deutsch" als Nationalität angaben. Geht man davon aus, dass die offiziellen Angaben des zuständigen Ministeriums 300 - 500 Tsd. betragen und die führenden Vertreter der deutschen Minderheit von mindestens 500 Tsd. bis zu gar 1Mio. Mitgliedern sprechen, mag die Anzahl 152,9 Tsd. wenig erscheinen. Vergleicht man das Ergebnis der deutschen Minderheit mit den der anderen nationalen Minderheiten in Polen, ist ihr Ergebnis eher als Erfolg zu werten. Hier einige Ver-gleiche zwischen den offiziellen Schätzungen bezüglich der Anzahl der nationalen Minderheit und dem Ergebnis bei der Volksbefragung in Tsd.:

Oberschlesier: keine Angaben / 173,2
Deutsche Minderheit: 300 - 500 / 152,9
Weißrussen: 200 - 300 / 48,7
Ukrainer: 200 - 300 / 31
Sinti, Roma: 20 - 30 / 12,9
Russen: 10 - 15 / 6,1.

Zusammenfassend sind die o.g. Angaben ein deutlicher Hinweis darauf, dass 13 Jahre nach der poli-tischen Wende immer noch Mut dazu gehört, sich in Polen zu seiner nationalen Identität öffentlich zu bekennen. Darüber hinaus muss konstatiert werden, dass die Interviewer gerade in Oberschlesien hinsichtlich der hier behandelten Fragestellung wenig Sensibilität zeigten und schlecht vorbereitet waren, was auch zu etlichen Beschwerden und Klagen führte. Die Tatsache, dass ca. 775 Tsd. der Befragten die Frage nach ihrer Nationalität nicht beantwortet haben, weist daraufhin, dass die Anzahl der Mitglieder der nationalen Minderheiten durchaus den offiziellen Angaben des zuständigen Ministe-riums entspricht. Die Behauptung, dass die Anzahl der Mitglieder der deutschen Minderheit zwischen 400 - 500 Tsd. liegt, wird durch diese Volksbefragung eher bestätigt als widerlegt.

Etwa 288 Tsd. der Befragten gaben an, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. Unterstellt man, dass alle der 152,9 Tsd., die angaben, deutsche Nationalität zu sein, auch die deutsche Staats-angehörigkeit besitzen, liegt es nahe, dass die Befragten, die "oberschlesisch" als ihre Nationalität angegeben haben, größtenteils die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Knapp 205 Tsd. der Befragten gaben an, zu Hause Deutsch zu sprechen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sowohl große Teile der deutschen Minderheit als auch der Oberschlesier zu Hause Deutsch sprechen.

Die heutige vorherrschende oberschlesische Identität, gewachsen in einer traditionellen Grenzregion, verschmelzt sowohl deutsche, polnische als auch tschechische und jüdische Kulturelle Einflüsse.

Gliwice, Opole, den 28. Juni 2003


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