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Arbeitspapiere, Analysen
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Rafał Bartek
Nowa Trybuna Opolska, Beilage HEIMAT, 7.11.2012

Zur Diskussion. Wenn wir in der Region keine vergleichbaren Kulturdenkmäler wie den Wawel haben, dann sollten wir doch die vielsprachige geistige Kultur zur Visitenkarte der Region machen.

Ich habe mich ausführlich mit dem Dokument des Projektes der Entwicklungsstrategie der Woiwodschaft Oppeln befasst. Aus der für mich wichtigsten Sicht - der Multikulturalität und deutsch-polnischen Zusammenarbeit - habe ich ein gewisses Gefühl der Unzufriedenheit. Obwohl ich natürlich sehe und anerkenne, dass sowohl Multikulturalität, als auch die deutsche Minderheit an für sich in der Strategie, insbesondere in der SWOT-Analyse (der Schwächen und Stärken) und das unter den regionalen Chancen vorhanden sind.

Bereits in der Diagnose der Situation in der Woiwodschaft wird die Existenz der Minderheit sehr verschleiert dargestellt – sie wird als einheimische, autochthone Bevölkerung, Schlesier usw. bezeichnet. Das ist alles wahr, aber das Wesentliche, wer wir sind, wird nicht deutlich exponiert.

Es fehlt in der Diagnose ein Bezug zu dem Potenzial, welches die Tatsache mit sich bringt, dass sogar ein Drittel der Gemeinden in der Region zweisprachige Ortsschilder hat. Und diese sollten dort berücksichtigt werden, wo die Rede von der kulturellen oder touristisch-landschaftlichen Attraktivität ist. Die Ortsschilder sorgen doch für authentisches Interesse und Emotionen der Menschen, die ins Oppelner Schlesien von Außen kommen, sowohl der Befürworter als auch der Gegner. Es besteht gar kein Zweifel, dass diese zweisprachigen Ortsnamen unser charakteristisches Merkmal sind, eine spezifische Attraktion und Visitenkarte der Region. In der vorherigen Strategie waren sie übrigens vorhanden. Nun fehlen sie bei der Beschreibung des Potenzials der Woiwodschaft.

Meinen Zweifel hat auch eine in der Diagnose vorhandene, ziemlich scharfe Einteilung der Einwohner der Region in Schlesier oder Bevölkerung deutscher Abstammung und den Rest, also Ankömmlinge hervorgerufen. Geschichtlich gesehen, ist es natürlich eine wahre Einteilung. Doch im Jahr 2012, fast sieben Jahrzehnte nach dem Krieg, sollte man vielleicht es berücksichtigen, dass weitere Generationen der Nachfahren der Ankömmlinge, auch jener aus Ostpolen, hier geboren wurden. Nicht selten sind sie überzeugte Schlesier und ein Teil der Region, wenn sie doch – wie es Erzbischof Alfons Nossol sagt – hier im Oppelner Schlesien zum ersten Mal den Himmel erblickt haben. Professor Bartodziej hat bereits im Jahr 2005 die Forderung gestellt, in die Strategie den Aufbau einer gemeinsamen schlesisch-regionalen Identität einzubringen. Es lohnt sich nicht, sich unnötig zu beschränken.

Es lohnt sich wiederum mit Sicherheit, sich Gedanken über die Einträge zum nichtmateriellen Kulturerbe als einem Kennzeichen der Woiwodschaft zu machen. Aus unserer, der Sicht der deutschen Minderheit ist es sehr wichtig. Im Projekt der Strategie wurde es kaum erwähnt. Es wird dort von dem Bedürfnis gesprochen, die schlesische und ostpolnische Kultur zu integrieren. Dabei beruft man sich vorwiegend auf die kulinarische Ebene. Diese Sichtweise ruft meine Bedenken hervor, denn es besteht die Gefahr, dass die Frage nach dem kulturellen Kennzeichen ein wiederholtes Mal beim schlesischen Kloß endet. Vielleicht ist in diesem Kontext die Multisprachigkeit der Region wichtiger? Dabei ist nicht nur Polnisch und Deutsch, sondern auch Wasserpolnisch, als ein allgemein und authentisch gebrauchter Dialekt aufzuzählen.

Im vergangenen Jahr habe ich in der Kanzlei des polnischen Präsidenten an der Konferenz zum Dokument „Kulturelles Reichtum Polens – Identifikation des nichtmateriellen Erbes” teilgenommen. Dort wurde insbesondere die Gefahr hervorgehoben, dass man sich ausschließlich auf materielles Erbe konzentriert, welches auf die UNESCO-Welterbeliste eingetragen wurde. Dabei hat man dazu ermutigt, folgendes zu erkennen, ich zitiere das Dokument: "(..)es gilt auch solche Kulturerscheinungen zu registrieren und verbreiten, die von der lokalen Bevölkerung besonders geschätzt werden, von ihrer Identität zeugen, ein lebendiges Zeugnis sind und an weitere Generation übermittelt werden." Wenn wir uns als Entscheidungsträger mit diesem nichtmateriellen Erbe nicht befassen werden, droht uns der Bruch mit dessen Übermittlung oder das Bewahren eines Kulturerbes in kommerzialisierter Form.

Wenn bei mir in Chronstau auf der Tankstelle eine deutsche Reisegruppe anhält, frage ich gerne die Teilnehmer, woher und wohin sie fahren. Oft habe ich gehört, dass sie in Krakau und Tschenstochau waren und nach Breslau fahren. Sie nehmen die Umgehungsstraße und fahren an Oppeln vorbei. Das zeigt, dass wir im materiellen Ausmaß mit dem „Hellen Berg“ oder dem Wawel kaum mithalten können. Wenn es um nichtmaterielles Erbe geht, können wir mit den anderen Regionen mithalten und haben was vorzuweisen. Doch die Herausforderung, für die Region und die Minderheit liegt darin, Mittel und Wege auszuarbeiten dies zu zeigen. Wir können uns ein Beispiel an den Sorben nehmen, die Touristen damit anlocken, dass sie eine andere Sprache und eine eigene originelle Tradition pflegen.

In dieser Hinsicht fehlt mir in der Strategie an einer gewissen Konsequenz. Denn, wenn diese die Multikulturalität als ein Potenzial der Region anerkennt und die Existenz der deutschen Minderheit als eine starke Seite, dann fehlt hier die Hervorhebung der Auswirkungen dieser Vorraussetzungen in den strategischen Zielen. Dies hängt wohl mit der Tatsache zusammen, dass sich diese Ziele größtenteils auf der Verhinderung der Entvölkerung und ihrer Entgegenwirkung konzentrieren.

Doch in der Perspektive der Demographie und des Arbeitsmarktes sollte man daran denken, was wir bereits haben und dies anerkennen. Wenn in 400 Schulen Deutsch als Minderheitensprache unterrichtet wird, bedeutet es, dass einige hundert Lehrer demzufolge Arbeit haben und ein Drittel der Kommunen zusätzliches Geld für die Unterhaltung der Schulen bekommt. So können wir uns mancherorts erlauben, Einrichtungen mit 50 bis 60 Kindern zu unterhalten, was uns von den anderen Regionen unterscheidet.

Vielsprachigkeit ist und kann ein Trumpf sein. Ich weiß von einigen deutschen Firmen, die bei uns Filialen geöffnet haben, dass sie hier leichteren Zugang zu deutschsprachigen Arbeitnehmern haben. Davon wird in der Strategie direkt nicht gesprochen. Und das nicht, weil man dieses Phänomen verneinen möchte. Ich fürchte es liegt daran, dass man diese Situation als offensichtlich und einst für alle mal gegeben betrachtet. Dabei haben wir, die deutsche Minderheit, sehr starkes Bewusstseins und die Befürchtung, dass es so ist, aber in Zukunft nicht sein muss, wenn wir für dieses multikulturelle Erbe nicht sorgen. Die gesellschaftliche Uniformisierung, Globalisierung, Assimilationsprozesse – Stärkung der Attraktion des polnischen Staates – nehmen zu. Es bestehen Gründe zu der Befürchtung, dass die weitere Generation von Eltern und Kindern nicht nur zahlenmäßig geringer, sondern auch weniger bereit sein wird die Minderheitensprache zu lernen, weil sie annehmen, dass Englisch ausreicht.

Das Lernen von Fremdsprachen sollte generell als unser Trumpf und Merkmal betrachtet werden. Weil wir die einzige Region in Polen sind, in der man allgemein zwei, und manchmal drei Sprachen bereits ab dem Kindergarten unterrichtet (Polnisch, Deutsch, Englisch).

Das Unterrichten von Sprachen könnte verhelfen, das Potenzial der Hochschulen besser zu nutzen. Wir könnten eine Region sein, die am besten Lehrer, Methodiker und Didaktiker auf das Unterrichten von Sprachen vorbereitet – nicht nur für Deutsch und zweisprachigen Unterricht.

Die Strategie hat die Aktivität der lokalen Initiativgruppen nicht stark genug anerkannt – ich denke hier an die sog. Dorferneuerung, aber auch an die über 300 DFK Ortsgruppen, welche die Gesellschaft für Treffen mit der lokalen Geschichte und von unten kommende Initiativen zur Gestaltung von Archiven der erzählten Geschichte aktivieren. Das ist keine spektakuläre Tätigkeit, wie das Landesfestival des polnischen Liedes in Oppeln, welches im Fernsehen zu sehen ist, aber ausschlaggebend für das Bewahren des multikulturellen Erbes.

Die Existenz der Minderheit könnte zu einem kulturellen Merkmal nicht nur der Region, sondern auch deren Hauptstadt Oppeln werden. Nicht nur deswegen, weil hier – woran man nicht immer denkt – einige Tausend Deutsche leben. Hier haben auch die wichtigsten Organisationen und Institutionen der deutschen Minderheit ihren Sitz. Deren Aktivität und Tätigkeit bezieht sich nicht nur auf die Aktivität und Tätigkeit auf die eigene Bevölkerung, aber zur Allgemeinheit der Stadt und der Region. Wenn Aktivisten der deutschen Minderheit nach Warschau fahren, um die Entwicklungsstrategie der Minderheitenbildung zu besprechen, dann Tragen sie zur Entwicklung der Bildung in der Region überhaupt bei.

Am letzten Montag hat der Vorstand der SKGD über die Entwicklungsstrategie gesprochen. Wir haben darauf hingewiesen, dass sie die Menschen, die die Region verlassen haben, aber Sympathie für die Heimat empfingen, zur Rückkehr ermutigen sollte. Die Forschungen von Professor Jończy haben gezeigt, dass ehemalige Auswanderer bereit sind zurückzukommen. Deren zusätzlicher Trumpf ist die Tatsache, dass man sich um deren ökonomische Situation nicht kümmern muss. Es reicht nur ihnen solche Lebensbedingungen zu schaffen, damit sie kommen möchten. Es lohnt sich sicher dies zu unternehmen.


Rafał Bartek
Generaldirektor des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit
Co- Vorsitzender der gemeinsamen Kommission der Regierung und der Minderheiten



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