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Arbeitspapiere, Analysen
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Thaddäus Schäpe

Thesenpapier zur partizipativen Zusammenarbeit im Rahmen des Konzeptes "Aussiedlerpolitik 2000" mit der deutschen Minderheit in Polen

1. Ausgangslage: die deutsche Förderung in der Krise

"Hilfe zur Selbsthilfe" bildet seit Jahren das Leitmotiv für die Unterstützung der Bundesregierung an die deutsche Minderheit (DMI) in Polen. Seit dem Regierungswechsel hat die Bundesregierung die längst überfällige Reform der Unterstützung der DMI vorgenommen. Diese Reform wurde zeitgleich mit einer erheblichen Reduzierung der Mittel durchgeführt, was den Konflikt zwischen Teilen der DMI und der Bundesregierung verschärfte. Für die DMI sind die Kürzungen der rot-grünen Koalition auf der einen Seite der endgültige Beweis für ein tiefsitzendes Vorurteil, die deutschen Grünen und Sozialdemokraten würden sich für die DMI in MOE nicht interessieren, ihre Interessen wären am besten traditionell bei der CDU/CSU aufgehoben.

Worin gründet der Konflikt? Wie fast immer in der Politik geht es auch in diesem Fall um die Erhaltung und Sicherung von Macht und Einfluss. Hierbei spielten Investitionen und die Stiftung für Entwicklung Schlesiens und lokaler Initiativen (SES) in Oppeln eine Schlüsselrolle. Über sie werden seit Jahren Mittel in der Größenordnung von 10 Mio. DM jährlich hauptsächlich für Investitionen (z.B. Baumaßnahmen, Begegnungszentren, Wasserleitungen, usw.) und Kredite vor allem an den Mittelstand abgewickelt. Im Verlauf der Zeit kristallisierte sich heraus, dass auf die Vergabe dieser Mittel nur ein enger Personenkreis Einfluss hatte und damit natürlich sein Standing in der Region und der Bevölkerung aufbaute und absicherte. Die Streichung dieser Mittel auf der anderen Seite musste naturgemäß zum Aufschrei derjenigen führen, die mit Hilfe dieser Mittel ihre politische Potenz aufbauten.

Hinzu kommt, dass in der Region und der Zielgruppe traditionell eher autoritäre und deutsch-nationale Verhaltensmuster vorherrschen. Schließlich besteht in Polen erst seit Ende der 80-er Jahre die Möglichkeit, sich in NRO`s zu organisieren und demokratisches Verhalten einzuüben. Auch erst seit dieser Zeit verfügt die DMI über die Möglichkeit, die demokratische Entwicklung in Deutschland zu beobachten und zu verstehen, bis dahin war sie von ihr abgeschnitten. Insofern wundert nicht weiter die Kritik an den deutschen Mittlerorganisationen, die das "Geld der DMI verplempern", und das mangelnde Interesse der Entscheidungsträger an Mitteln der Bundesregierung für Kultur, Bildung und Breitenarbeit. Hier gibt es kaum etwas zu verteilen, ergo ist keine Machtsteigerung zu erzielen. Interessant wird es wieder, wenn es um die Förderung der Medien geht, also um die Präsenz der Politiker der DMI in der Öffentlichkeit. Es nimmt also nicht Wunder, wenn manche Vertreter der DMI auch in diesem Bereich Probleme mit dem Zuwendungsgeber haben, nur diesmal trifft es das AA.

Der überzeugende Sieg der DMI bei den Kommunal- und Regionalwahlen in der Woiwodschaft Oppeln gibt allerdings Anlass zur Hoffnung. Die über 600 Mandatsträger, die sich inzwischen zum Teil aus der mittleren Generation rekrutieren, werden über kurz oder lang eine stärkere Beteiligung an Entscheidungsprozessen in der DMI einfordern. Erste ernst zu nehmende Stimmen der Kommunalpolitiker der DMI hinsichtlich ihrer Beteiligung in den Gremien der SES sind deutlich zu vernehmen.

2. Krise als Chance für durchgreifende Reformen
Partizipation und Transparenz als Qualitätskriterium der deutschen Förderung der DMI in Polen


Bereits in der Planungsphase sollte bei der Zielfindung, Planung, Durchführung und Erfolgskontrolle partizipativ vorgegangen werden. Dabei sollte die größtmögliche Beteiligung der betroffenen Bevölkerung (DMI und ihr Umfeld) an den Entscheidungsprozessen angestrebt werden. Natürlich muss die Legitimität der einzelnen Gruppenvertreter sorgfältig geprüft werden. Sowohl die Zielgruppen als auch Regionen mit ihren Prioritäten sollten klar definiert werden. Hierzu bedarf es einer Intensivierung des Politikdialogs mit den Zielgruppen, der mit Hilfe bewährter Methoden (Meta-Plan, ZOPP) durchgeführt werden kann.

3. Zur Durchführung

Voraussetzungen:
  • Alle Beteiligten haben den Willen zur Zusammenarbeit
  • Förderpolitik der Bundesregierung ist formuliert (Aussiedlerpolitik 2000)
  • Grundsätze der Mittelverwendung werden vom BMI / BVA zusammengefasst und dargestellt
  • Die Entwicklungsstrategie der DMI wird im Konsens mit Hilfe moderner Moderationstechniken (Meta-Plan, ZOPP - Herr W. Sartorius) formuliert (sollte bis Ende 2000 erfolgen). Frage: sollte das AA auch beteiligt werden? Rolle des BVA?
  • klare Politik / Deklaration der polnischen Regierung bezüglich DMI-Förderung?
Unter Einbeziehung der Politik der Bundesregierung (Aussiedlerpolitik 2000), der Politik der DMI, der Politik der polnischen Regierung und den Bedingungen für die Mittelvergabe und ausgehend von ausdiskutierten Rahmenbedingungen wird die Förderpolitik im Konsens mit den Beteiligten Gruppen formuliert. Hierzu wird ein deutsch-polnischer Beirat eingerichtet.

3.1. Einrichtung eines deutsch-polnischen Beirats

Im Beirat bestehend aus bis zu 35 Personen werden folgende Institutionen vertreten:

1 BMI Vertreter(in) 1
2 GTZ / HDPZ 1
3 Polnische Regierung 1
4 Woi. Oppeln 1(?)
5 Marschall Oppeln 1
6 Woi. Schlesien 1(?)
7 Marschall Schlesien 1
8 NRW 1(?)
9 Rheinland-Pfalz 1(?)
10 Kroll 1
11 Pazdzior 1
12 SES 1
13 Bauernverband 1
14 Jugend (Opol, Kat. Allenst.) 3
15 VdG (inkl. reg. Vertreter: 2 aus Oppeln u. 2 aus Schl.) 4
16 Landfrauen 1
17 D. Bildungsgesellschaft 1
18 Konvent Landräte Opole 1
19 Schl. Kommunalverband 1
20 AA 1(?)
21 Wirtschaftskammer 1
22 Medizinerverband 1
23 Eichendorffer Stiftung 1(?)
24 Eichendorffer Kuratorium 1(?)
25 Brehmer 1(?)
26BVA 1(?)


Natürlich muss der VdG im Namen der deutschen Minderheit eine führende Rolle übernehmen. Der Anteil der Vertreter der DMI aus der Woiwodschaft Oppeln sollte im Beirat 50% nicht übersteigen.

3.2. Der deutsch-polnische Beirat nimmt folgende Aufgaben wahr:
  • Festlegung des Oberziels der Förderung.
  • Festelegung der prioritären Förderbereiche (kurz-, mittel und langfristig).
  • Festlegung der Instrumente in den prioritären Bereichen,
  • Festlegung der Quoten, die in Deutschland und in Polen verausgabt werden sollen.
  • Festlegung der Quoten nach regionalen Gesichtspunkten (z.B. Woiwodschaften: Oppeln, Allenstein usw.).
  • Festlegung der Quoten nach den von der Kommission definierten Förderbereichen in Korrelation mit den Quoten für Regionen.
  • Festlegung der Grundsätze der Mittelvergabe (z.B. Projektförderung und keine Investitionen oder Institutionenförderung.)
  • Besetzung der AGs (jedem prioritären Bereich wird eine AG zugeordnet),
  • schlägt Projektideen vor (nur bei bedeutenden Projekten),
  • schlägt Institutionen zur Projektabwicklung vor (polnische und deutsche),
  • definiert in Abstimmung mit dem BMI / BVA, welche Projekte von Deutschland aus und welche in Polen gesteuert werden sollen
Der Beirat tagt 1-3 mal jährlich, in der Anfangsphase öfter. In den Folgejahren muss die Politik nur jeweils angepasst werden.

Die Bundesregierung legt den jährlichen Gesamtbetrag fest. Auch muss sie das Recht haben, eine Beteiligung zu verweigern, wenn sie nicht der politischen Ausrichtung der Bundesregierung entspricht (Vetorecht der Bundesregierung).

Die Besetzung und die Aufgabenstellung der Arbeitsgruppen werden vom Beirat festegelegt.
  • Jede AG besteht max. aus 5 Personen,
  • ein Mitglied des Beirats darf max. in 2 AGs vertreten sein,
  • die AGs und der Regionalfonds tagen nach Bedarf. Sie formulieren die konkreten Projekte und schlagen deutsche bzw. polnische Institutionen für die Realisierung von Projekten vor,
  • AGs tragen dem Beirat die Ergebnisse vor,
  • die Arbeit des Regionalfonds und der AGs wird vom Beirat evaluiert.

3.3. In Polen wird ein Regionalfonds eingerichtet, der z.B. von der GTZ, GWZ oder dem BVA verwaltet wird. Die Mittel, deren Verausgabung unmittelbar in Polen vorgenommen werden soll, werden an diesen Regionalfonds weitergereicht. Für den Fonds gelten die Vorgaben sowohl hinsichtlich der regionalen Aufteilung, der Förderbereiche als auch der Grundsätze der Mittelvergabe. Beim Regionalfonds werden regionale und nach Förderbereichen gegliederte AGs gebildet. Die Aufteilung der Beiräte nach Fördergebieten sollte nach dem jeweiligen Bedarf der Bezirke der DMI vorgenommen werden, so liegt z.B. auf der Hand, dass im Bezirk Allenstein Kommunalpolitik kaum eine Rolle spielen dürfte. Die Schaffung folgender AGs beim Regionalfonds wäre vorstellbar:

regional:
  • Beirat Oberschlesien (Woiwodschaften Oppeln und Schlesien, sind allerdings auch getrennt möglich),
  • Beirat Allenstein,
  • Beirat der übrigen Bezirke der DMI.
fachspezifisch:
  • AG Breitenarbeit,
  • Jugend
  • Wirtschaftsförderung, Mittelstandsförderung, Regionalentwicklung,
  • außerschulische Sprachförderung,
  • Kommunalpolitik,
  • Minderheitenrechte,
  • kommunale Partnerschaften,
  • Soziales, medizinische Hilfen,
  • Landwirtschaft,
  • soziale Unterstützung,
  • Verbandsförderung,
  • Dialog DMI und Umfeld,
  • Akzeptanz der DMI,
  • EU.

AA: Kultur,
- Medien.

Im Rahmen der Vorgaben des deutsch-polnischen Beirats entscheiden die Beiräte des Regionalfonds über die Bewilligung von eingereichten Projektvorschlägen. Der Regionalfonds sollte möglichst dezentral arbeiten, d.h. jede Organisation muss die Möglichkeit haben, sich an den Regionalfonds mit einem Vorschlag zu wenden. Er kann seinerseits vor Ort aktive NRO`s, Bildungseinrichtungen oder andere Facheinrichtungen bitten, Projektvorschläge für bestimmte Zielgruppen und Themenbereiche einzureichen. Darüber hinaus sollten der Regionalfonds und die gewählten AGs über die Möglichkeit verfügen, Beratungsleistungen für ihre Arbeit in Polen und Deutschland einzukaufen. Der Verwalter des Regionalfonds hat in Abstimmung mit der Bundesregierung ein Vetorecht. Die Abstimmungsprozesse innerhalb der AGs sollten z.T. mit Hilfe von bewährten Moderationtechniken durchgeführt werden. Einzelne Projekte sollten möglichst nicht Gegenstand der Beratungen im Rahmen des deutsch-polnischen Beirats sein (nur Ausnahmefälle). Über konkrete Projekte und ihre Durchführung im Rahmen der Vorgaben der Ziele und Quoten für Förderbereiche und Regionen entscheidet im Regelfall der Regionalfonds mit den gewählten AGs.

Über die Aufgaben im Rahmen der Steuerung und Begleitung der Entscheidungsprozesse, Mittelvergabe und der Berichterstattung über die Verwendung der Mittel hinaus könnte der Regionalfonds auch die Informationspolitik über die Förderung der DMI durch die Bundesrepublik Deutschland in Polen übernehmen. Darüber hinaus sollte der Regionalfonds keine Aufgaben wahrnehmen. Im Bedarfsfall könnten vor Ort agierende NRO`s auf Anregung des Regionalfonds aktiv werden.

4. Mögliche Grundsätze der Vergabe:
  • Mittel sollen möglichst für Aktivitäten, nicht für Investitionen ausgegeben werden.
  • bis zu 10% VK.
  • Investitionen über 10 TDM pro Bereich Zustimmung BMI.
  • BMI hat das Vetorecht.
  • BMI wird vom Regionalfonds über alle Projekte über 100 TDM informiert.
  • Die Aufträge in Polen werden in Abstimmung mit den AGs vom Regionalfonds vergeben.

6. Vorteile des neuen Modells:
  • wesentlich stärkere Beteiligung der Zielgruppen an den Entscheidungsprozessen,
  • wesentlich breitere Beteiligung der Zielgruppen an den Entscheidungsprozessen,
  • der Entscheidungsprozeß ist für alle Beteiligten und Interessierten verständlich und transparent,
  • Instrumentalisierung deutscher Fördermittel wird wesentlich erschwert,
  • Stärkung demokratischer Strukturen und Verhaltensmuster,
  • Motivation und Mobilisierung sowohl der Zielgruppen wie der polnischen Regierung für eine verstärkte Zusammenarbeit und Beteiligung (finanzielle).


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