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Rafał Bartek

Krappitz und Groß Strehlitz fürchten die Stimme des Volkes
Probe für die Demokratie

Ende Mai lehnte der Stadtrat von Groß Strehlitz mit einer deutlichen Stimmenmehrheit den Antrag der Deutschen Minderheit über die Durchführung eines Volksentscheides zu doppelten Ortschildern in der Stadt und der gesamten Gemeinde ab. Nach dem Beschluss der Ratsherren in Krappitz sehen wir darin nun den zweiten Fall dieser Art in der Wojewodschaft Oppeln.

Eigentlich könnte man damit diesen Beitrag beenden, denn in der Demokratie zählt - wie wir alle wissen - die Stimme der Mehrheit. Aber ist dem tatsächlich so? Ich denke nicht ganz. Der polnische Gesetzgeber hat bei der Schaffung des Minderheitengesetzes ein Rahmen vorgegeben, innerhalb dem die Mehrheit das Recht einer Minderheit respektieren sollte. Das Gesetz geht in seinem Wesensgehalt davon aus, dass - sofern eine Minderheit in ihrem Wohngebiet nicht 20% der Einwohnerschaft umfasst - die Einwohner selbst über die Einführung von doppelsprachigen Ortsnamen im Rahmen eines Volksentscheides befinden können. Es gibt dabei eine Bedingung: Der Gemeinderat muss dem Volksentscheid zustimmen. Dieser Grundsatz wurde in der Annahme eingeführt, dass in manchen Gemeinden nur einzelne Ortschaften an zweisprachigen Ortstafeln interessiert sein könnten. Als Beispiel für die Anwendung dieses Grundsatzes kann Bielanka (ruthenisch: ?i?????/Biljanka) in der kleinpolnischen Gemeinde Gorlice herhalten, wo über die Einführung des Ortsnamens in der Sprache der Lemken (dem Ruthenischen) eine einzige Stimme in der Dorfversammlung überwog. Wo also liegt der Unterschied zwischen den Gemeinden Gorlice und Groß Strehlitz bzw. Krappitz? Der Unterschied liegt entschieden in der demokratischen Herangehensweise. Während die Ratsherren in Gorlice kein Angst hatten ihren Einwohnern die Entscheidung selbst zu überlassen, und das obwohl es nur um eine Ortschaft innerhalb der Gemeinde ging, hatte man in Krappitz und Groß Strehlitz kein Vertrauen in die eigenen Bürger. Hatte man etwa Angst vor der Stimme des Volkes? Oder sind die Ratsherren eher der Meinung, dass sie eine Art Mission zu erfüllen haben und deshalb niemanden mehr zu fragen bräuchten, denn sie wurden ja zu Ratsherren "gesalbt"? Solch ein Vorgehen kann meiner Meinung indes zwei Konsequenzen haben. Die eine wäre die Beurteilung dieser Haltung durch den Wähler, die andere wäre, sofern sich derartige Fälle wiederholen, eine Änderung des Minderheitengesetzes und zwar gemäß der eigentlichen Intention des Gesetzgebers, die Einwohner selbst abstimmen zu lassen. Polen wird in dieser Sache ganz genau von Europäischen Institutionen beobachtet. Es bleibt natürlich auch der Aspekt, wie man die Minderheit als solche überhaupt betrachtet, denn das Recht dieses Teiles der Gesellschaft stellt die Demokratie immer und in jedem Staat auf eine besondere Probe. Vielleicht sind aber die Ratsherren in Groß Strehlitz und Krappitz dem noch nicht gewachsen? Oder es fehlt einfach an Diskussionen zu diesem Thema seitens der Verwaltung und intellektuellen Kreisen. Es reicht nämlich nicht ein Gesetz zu verabschieden, manchmal wäre es nützlich zu erklären, worum es dabei überhaupt geht.

Oppeln, Juni 2010


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